Geschwister werden (HB)


Laut Mikrozensus lebten im Jahr 2016 in Deutschland 8,1 Millionen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind, insgesamt betrug die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder unter 18 Jahren 12,9 Millionen. 58 % von ihnen lebten in einer Familie mit Geschwistern, von denen sich 43 % ihr Familienleben mit einem Geschwister teilten. 12 % hatten zwei und 3 % drei oder mehr Geschwister. Im Vergleich zu Daten aus dem Jahr 1991 haben sich kaum Veränderungen ergeben. Somit sind Geschwister für die meisten Kinder ein zentraler Bestandteil der Familie.
Die Geschwisterbeziehung zeichnet sich durch lebenszeitliche Dauerhaftigkeit, Unaufkündbarkeit und annähernde Egalität aus und beruht darüber hinaus auf dem Fundament gemeinsam gelebter Vergangenheit. So beginnt die Geschwisterbeziehung nicht erst beim ersten Kontakt nach der Geburt, sondern schon in der Schwangerschaft.
Stell dir vor, du kommst abends von der Arbeit nach Hause und dein Mann sitzt mit einer fremden Frau im Arm auf dem Sofa und sagt liebevoll zu dir:
„Hallo Schatz, das ist Andrea, meine neue Zweitfrau, sie wohnt ab heute bei uns und ich habe euch beide gleich lieb!“
So oder ähnlich fühlen sich Erstgeborene eventuell nach der Geburt ihres Geschwisterchens. Aus der Triade wird ein „Quadrat“. Je jünger die Kinder sind, desto einfacher akzeptieren sie in der Regel ein neues Familienmitglied, brauchen aber dennoch ihren Platz innerhalb des Familienverbands und möchten weiterhin durch die Eltern beachtet werden.
Für Kinder zählt das Gefühl: „Meine Eltern haben mich immer noch genauso lieb, auch wenn da jetzt noch jemand ist!“ Es ist also ausschlaggebend für die geschwisterliche Rivalität, wie das elterliche Erziehungsverhalten gestaltet wird.
Bevorzugungen anderer Geschwister wirken sich negativ auf die Geschwisterbeziehung aus. Der Einfluss der Geschwister untereinander ist prägend für das gesamte Leben. Das ältere Geschwister hat oft Vorbildfunktion, das jüngere zieht das ältere oft bei spontanen Aktionen mit. Geschwister bringen sich gegenseitig Sozialverhalten bei bzw. bieten Gelegenheit für soziale Erfahrungen an, sie sind später eventuell die engsten Vertrauten und außerdem die längsten Wegbegleiter innerhalb des Familienverbandes. Die Funktion der Geschwister ist für die moderne Familie vor allem die emotionale, nicht mehr die Geldbringende. Es zeigte sich in Studien, dass Kinder, abhängig von der elterlichen Stimulation der Geschwisterbeziehung, sowohl negatives (z. B. Aggressionen, Schlafstörungen, Anhänglichkeit) als auch positives Verhalten (z. B. Entwicklungsschübe, Verantwortungsgefühl) zeigen, Jungen bedienen sich eher Rückzugsstrategien und Mädchen reagieren abhängig oder anhänglich.
Fazit ist also vor allem, dass die Eltern den ersten Kontakt sensibel gestalten müssen, um so einen guten Start für das zweite Kind zu ermöglichen. Es fällt vor allem den Müttern zunächst schwer, den Spagat zwischen den Kindern auszuhalten. Hier helfen nur die Erkenntnis sowie Akzeptanz, dass man es beiden Seiten nicht hundertprozentig recht machen kann bzw. gleich viel Zuwendung geben kann. Es gibt viele Möglichkeiten, den Erstgeborenen den Weg ins Geschwisterleben zu erleichtern: Das A und O ist die emotionale und ganz praktische im Alltag angesetzte Einstimmung bereits einige Monate im Voraus, parallel zum wachsenden Bauch. Natürlich ist es sehr altersabhängig, was genau mit dem werdenden Geschwister umgesetzt werden kann.
Autor: Julia Spätling, Diplom-Heilpädagogin, Kinderkrankenschwester, Leiterin der Familienschule Fulda, Gallasiniring 8, 36043 Fulda
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Link zum [https://www.familienschule-fulda.de/Dokumente/Geschwisterinfo-Folgeschw170711.pdf Infoblatt “Geschwister werden]”
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Literatur:
Schneewind, Klaus A. (2010): Familienpsychologie
https://www.bmfsfj.de/blob/76242/1ab4cc12c386789b943fc7e12fdef6a1/monitor-familienforschung-ausgabe-31-data.pdf
Statistisches Bundesamt (2017): Kinderlosigkeit, Geburten und Familien – Ergebnisse des Mikrozensus 2016 (https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2017/Mikrozensus_2017/Pressebroschuere_Mikrozensus_2017.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 14.02.2019)
Ratgeber:
Bleier, B./Schilling, B. (2008): Besser einfach – einfach besser – Das Haushalts-Survival-Buch, Holzgerlingen
Hilsberg, R. (2003): Wenn das zweite Kind kommt – Schwangerschaft, Geburt und erstes Lebensjahr, Freiburg
Nilsson, L. (1999): Ein Kind entsteht – Bilddokumentation über die Entwicklung des Lebens im Mutterleib, München
Schaeffler, S. (2003): Was mit dem Zweiten anders wird …, München
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